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Gesetze

Masernimpfpflicht: Kinder und Eltern schauen in die Röhre

Schwester hält Spritze zur Impfung

Trotz ohnehin hoher Quoten bei Erstimpfung (97,1 %) und Zweitimpfung (92,8 %) hat das Bundesverfassungsgericht heute das „Masernschutzgesetz“ samt den darin vorgesehenen Zwangsmaßnahmen durchgewinkt. Dabei ließ es zahlreiche Fragen unbeantwortet. Kinder und Eltern, aber auch Ärztinnen und Ärzte sowie die Beschäftigten in Gemeinschaftseinrichtungen sind die Leidtragenden.

Am 1. März 2020 trat das „Masernschutzgesetz“ der Bundesregierung in Kraft. Es sieht eine Masern-Impfpflicht für Kinder und Beschäftigte in Gemeinschaftseinrichtungen und medizinischen Einrichtungen vor. Seither galt eine mehrfach verlängerte verschiedene Übergangsfrist für den Nachweis einer Masern-Immunität. Heute hat das BVerfG seinen Beschluss vom 21.07.2022 über mehrere Verfassungsbeschwerden von gemeinsam sorgeberechtigten Eltern sowie ihrer minderjährigen Kinder veröffentlicht.

Demnach ist das „Masernschutzgesetz“ verfassungskonform. Die Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung (ÄFI) hatten gemeinsam mit der Initiative freie Impfentscheidung e.V. (IFI) ingesamt vier Verfassungsbeschwerden von Eltern sowie Ärztinnen und Ärzten mit ihrer Expertise unterstützt, um auf die zahlreichen verfassungsrechtlichen und medizinisch-epidemiologischen Probleme des Gesetzes hinzuweisen.

Sämtlichen Einwänden der Beschwerdeführenden haben die Karlsruher Richter heute eine Absage erteilt. Für alle Kinder sowie alle Beschäftigten der Einrichtungen bedeutet dies, dass sie nun nach der abgelaufenen Übergangsfrist am 31. Juli 2022 einen Nachweis über ausreichenden Masernschutzes erbringen müssen.

In einem im Auftrag von ÄFI erstellten Rechtsgutachten hatte Prof. Dr. Stephan Rixen, damals Universität Bayreuth, heute Direktor des Instituts für Staatsrecht der Universität zu Köln festgestellt, dass das „Masernschutzgesetz“ gegen mehrere Grundrechte verstoße: das auf körperliche Unversehrtheit, das Elternrecht, das Gleichheitsrecht von Kindern und Eltern, die Berufsfreiheit und das Gleichheitsrecht von Ärztinnen und Ärzten.

Durch das KiTa-Aufnahmeverbot ungeimpfter Kinder, bußgeldbewehrte und zwangsweise durchsetzbare Nachweispflichten gegenüber dem Gesundheitsamt werde de facto ein Impfzwang eingeführt. Eltern werden indirekt gezwungen, ihr Kind impfen zu lassen, wenn sie ihren Betreuungsanspruch nicht verlieren wollen.

Mit der Blanko-Übernahme der STIKO-Empfehlungen entziehe sich der Gesetzgeber seiner Verantwortung, da er die demokratische Legitimation des Gesetzes unterwandere. Da offenbleibe, ob neben den STIKO-Empfehlungen auch die abweichenden Empfehlungen der SIKO (Sächsischen Impfkommission) zu beachten sind, verstoße das Gesetz gegen die erforderliche Normenklarheit und Widerspruchsfreiheit.

Zwang zu Kombi-Impfstoffen

Ein weiteres gravierendes Problem, dem sich das BVerfG nicht mit der notwendigen Tiefe stellte, betrifft die ausdrückliche Verwendung von Kombinationsimpfstoffen. Obwohl das Gesetz nur mit dem Schutz vor Masern argumentiert, sind in Deutschland ausschließlich Kombinationsimpfstoffe verfügbar. Dies bedeutet eine faktische Impfpflicht auch gegen andere Erkrankungen (Mumps, Röteln, Windpocken). Damit stand zu befürchten, dass künftig die Impfstoffhersteller bestimmen, wie die Impfpflicht in der Praxis ausgestaltet wird. Eine solche Ausdehnung auf weitere Kombinationen sei laut BVerfG jedoch nicht zulässig.

Zuletzt hatte es in dieser Frage einen Hoffnungsschimmer gegeben: Das Verwaltungsgericht Ansbach hatte einem Eilantrag der Kanzlei Keller & Kollegen, unterstützt durch die medizinische Expertise der ÄFI, stattgegeben. Damit durfte ein dreijähriges Kind, das mit einem in Deutschland nicht zugelassenen Einzel-Impfstoff aus der Schweiz geimpft worden war, ab sofort in den Kindergarten wechseln. Das Gericht befand, dass das Masernschutzgesetz die Auswahl des Impfstoffes nicht auf in Deutschland zugelassene Impfstoffe beschränke, verpflichtete den Gesetzgeber aber auch nicht, einen Mono-Impfstoff zur Verfügung zu stellen.

Prof. Kekulé: Masern-Impfquoten reichen aus

Auch hinsichtlich der medizinisch-epidemiologischen Indikation bestehen erhebliche Zweifel. Gemeinsam mit dem Verein „Initiative freie Impfentscheidung e.V.“ hatte ÄFI ein Gutachten von Prof. Dr. Alexander Kekulé eingeholt. Der renommierte Experte vom Institut für Biologische Sicherheitsforschung in Halle hatte die Einschätzung der Nationalen Verifizierungskommission Masern am RKI bestätigt: Die Masern-Impfquoten in Deutschland sind ausreichend.

Kekulé widersprach der Einschätzung des ehemaligen Bundesgesundheitsministers, wonach Deutschland aufgrund zu niedriger Impfquoten im Kindesalter den Status der Masernelimination der WHO nicht erreiche. Ausschlaggebend hierfür sei vielmehr die mangelhafte Erfassung und Nachverfolgung von Masernfällen (Surveillance). Ein wichtiger Faktor, so Kekulé erneut in Übereinstimmung mit dem RKI, sei die zunehmende Mobilität in Europa. Deutschland ist als Zielland für Tourismus und berufliche Migration besonders betroffen. Statt Zwangsmaßnahmen für die Gesamtbevölkerung seien gezielte Impfprogramme für Risikogruppen notwendig. Überdies sei der geplante Impfzwang unnötig und nicht zielführend.

Zweitimpfung, auch wenn schon Immunität besteht

Schon jetzt lassen über 97 % der Eltern ihre Kinder freiwillig gegen Masern impfen. Um diese ohnehin hohe Impfquote zu steigern, plädieren Experten für weniger einschneidende Maßnahmen wie eine bessere Impfberatung oder aufsuchendes Impfen.

Das Gesetz ignoriert die Möglichkeit einer Antikörperbestimmung nach der Erstimpfung, um eine ausreichende Immunität festzustellen. Stattdessen verpflichtet es zur Zweitimpfung. Die in den allermeisten Fällen überflüssige zweite Impfung stellt eine unzumutbare Belastung für Kinder und Eltern dar; das Elternrecht wird hier eklatant umgangen.

„Das sogenannte ‚Masernschutzgesetz‘ missachtet das Kindeswohl auf eklatante Weise. Eltern, Ärztinnen und Ärzte werden praktisch gezwungen, Kinder in unseren Augen verfassungswidrigen Maßnahmen auszusetzen, von den medizinischen Folgen ganz zu schweigen. Daher kann man das heutige Urteil nur als unfassbar bezeichnen“, stellt der ärztliche Geschäftsführer und Sprecher der ÄFI Dr. med. Alexander Konietzky fest.

Neben den Verfassungsbeschwerden und dem Eilantrag hatte ÄFI mit einer großen Informationsveranstaltung im Oktober 2019 unter dem Titel „Braucht Deutschland eine Impfpflicht?“ auf die Problematik aufmerksam gemacht. „Trotz dieser Entscheidung wird sich ÄFI weiterhin mit ganzer Kraft für eine freie und individuelle Impfentscheidung einsetzen.“

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