Warum gibt es in Paderborn noch kein Sozialticket?
Wer auf Sozialleistungen angewiesen ist, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, dem fehlt häufig das Geld für Bus und Bahn. Dies führt für Betroffene zu großen Herausforderungen in der Gestaltung des Alltags.
Der Runde Tisch Armut hat sich über das in vielen Städten und Kreisen in NRW existierenden Sozialticket informiert.
“Mobilität ist der Schlüssel zur Teilhabe am gesellschaftlichen, aber auch beruflichen Leben”, so Claudia Englisch-Grothe, Sprecherin des Runden Tisches Armut. “Wer über wenig Einkommen verfügt und an der Armutsgrenze lebt, für den ist die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs jedoch eine enorme finanzielle Belastung”.
25,14 Euro sieht der Hartz-IV-Satz für Mobilität im Monat vor. Ein Monatsticket für das Paderborner Stadtgebiet kostet bereits 73,50 Euro, die Kosten für ein Ticket aus dem ländlichen Bereich schlagen noch höher zu Buche. Aus der alltäglichen Praxis tragen die Mitglieder des Runden Tisches immer wieder Beispiele betroffener Personen zusammen. So der Bericht einer alleinerziehenden Frau aus dem ländlichen Kreisgebiet, die aufgrund einer Missbrauchserfahrung an der Selbsthilfegruppe der Beratungsstelle Belladonna teilnehmen möchte. Die Fahrtkosten zu den zweiwöchentlichen Sitzungen aufzubringen, war ihr mit dem Bezug von Sozialleistungen nicht möglich. “Immer wieder erleben wir, dass hier mit Spenden zumindest die Hälfte der Fahrtkosten übernommen werden muss, um die Teilnahme zu ermöglichen”, so Englisch-Grothe.
Aber auch die Integration in den Arbeitsmarkt setzt Mobilität voraus. “Der Weg zum Sprachkurs oder zu beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen ist oft nicht ohne Öffentliche Verkehrsmittel zu bewältigen”, so berichtet Karin Strätling, Fachbereichsleiterin bei In Via Paderborn. In Via bietet z.B. im Rahmen eines neuen Projekts von Arbeitslosigkeit betroffenen Müttern mit Zuwanderungsgeschichte Qualifizierung und Coaching zur beruflichen Integration. “Für viele unserer Teilnehmerinnen ist die Teilnahme an unserem Angebot der Einstieg in eine berufliche Tätigkeit und der Weg heraus aus dem Bezug von Arbeitslosengeld II. Oft fehlt jedoch das Geld für die Fahrkarte. Allein in diesem Projekt scheiterte seit Beginn des Jahres die Teilnahme von fünf Frauen an den Kosten der Mobilität.”, so Strätling.
Dass hier Abhilfe geschaffen werden muss, da ist sich der Runde Tisch Armut einig. In vielen Kommunen in NRW gibt es bereits sogenannte “Sozialtickets”. Das Land NRW fördert die Mobilität sozial bedürftiger Menschen mit diesem Angebot. “Zu vergünstigten Preisen können Tickets für Bus und Bahn erworben werden, zum Teil sind diese mit zeitlichen Beschränkungen versehen.
Vorliegende Informationen aus der mit Paderborn vergleichbaren Kommune Recklinghausen zeigen, dass ein Sozialticket auch ohne finanzielle Eigenmittel der örtlichen Kommunen umgesetzt werden kann. Die Förderung des Landes deckt entstehende Kosten, so die Erfahrung aus Recklinghausen und anderen beteiligten Kommunen in NRW.
Mobilität darf nicht am Einkommen scheitern. “Auch im Kreis Paderborn müssen Lösungen gefunden werden, die die Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen, beruflichen und öffentlichen Leben ermöglichen”, so das Resümee des Runden Tisches Armut.
Der Runde Tisch Armut ist ein Bündnis, in dem seit 2007 soziale Verbände und Vereine Paderborns zusammen arbeiten, um in unserer Stadt initiativ zu werden für diejenigen, die von Armut und Ausgrenzung bedroht oder betroffen sind.