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Kultur

Alexandra Zykonov zerlegt das patriachale Frauenbild

Alexandra Zykonow im Sessel
Alexandra Zykonov während ihrer Lesung im Audimax. Mit den wissenschaftlich begründeten Antworten, mit denen sie vier Bullshit-Sätze aus ihrem Buch zerlegte, traf sie absolut den Nerv der 200 Zuhörerinnen und Zuhörer.

Könnte es sein, dass Männer im Haushalt absichtlich underperformen, um von ihren Frauen bei diesem Thema in Ruhe gelassen zu werden? Und könnte es sein, dass ihnen die Frauen das auch noch leichtmachen, weil sie in einem uralten gesellschaftlichen Frauenbild gefangen sind, das das kapitalistische System in Deutschland nur langsam, widerwillig und lediglich angesichts des Fachkräftemangels der Not gehorchend aufgibt?

Man könnte und sollt diese Fragen auch als Provokation von Alexandra Zykonov auffassen. Die Journalistin und Erfolgs-Autorin, deren Bestseller „Wir sind doch alle längst gleichberechtigt. 25, wie sie sich ausdrückt, „Bullshit-Sätze“ und wie wir sie endlich zerlegen“ im Flug die Büchercharts und dabei vor allem die Herzen der Frauen erobert hat, machte am Freitagabend auf ihrer Lesungs-Tour durch Deutschland im Audimax der TH OWL in Lemgo Station. Und sie erfreute sich regen Zuspruchs. Von 200 möglichen Plätzen waren fast alle besetzt. Ein Umstand, den die Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Lippe, Nicole Krüger, mit Erleichterung und Genugtuung zur Kenntnis nahm.

„Wir haben in diesem Jahr zum Abschluss der Veranstaltungen rund um den internationalen Frauentag einmal etwas anderes gewagt. Und das Konzept ist aufgegangen“, freute sich Nicole Krüger, die froh war, die gefragte Autorin so früh angefragt zu haben. „Jetzt müsste man für eine Lesung von ihr wohl ganz andere Preise zahlen“, so Krüger, die die Veranstaltung gemeinsam mit der Gleichstellungsbeauftragten der TH OWL, Dr. Meike Seidel-Kehde und den weiteren Gleichstellungsbeauftragten der Kommunen organisiert hatte.

Doch zurück zur Frage, ob Männer absichtlich im Haushalt underperformen und ihnen das die Frauen aufgrund ihres eigenen Frauenbildes durchgehen lassen. Die Antwort ist sogar wissenschaftlich belegt: ja, das stimmt. Anhand von Buchauszügen zu vier der insgesamt 25 im Buch behandelten „Bullshit-Sätzen“ zeigte Alexandra Zykonov den Kreislauf von gesellschaftlich produziertem Frauenbild, weiblichem Selbstbild und Verhalten sowie den männlichen Reaktionen auf. Und sie selbst hatte darauf nicht immer Lösungen für Auswege parat – auch nicht während der sich an die Lesung anschließenden Fragerunde, in der mehrere Frauen anhand ihrer eigenen zum Teil sehr bewegenden Erfahrungen schilderten, wie es ihnen als engagierte Frau in der Welt des Patriachats ergeht oder ergangen ist.

Bevor Zykonov aber aus ihren eigenen Erfahrungen erzählte, aus ihrem Buch las und das Vorgetragene mit wissenschaftlichen Studien belegte, hatte der Präsident der TH OWL Professor Dr. Jürgen Krahl ein besonderes Grußwort parat. Denn er war nicht allein, sondern in Begleitung seines jüngsten Enkelkindes Miriam auf dem Arm im Audimax erschienen, der er an diesem Freitagabend betreute, was Autorin Zykonov später als „sehr weiblich“ kommentierte. Krahl machte deutlich, dass von den derzeit knapp 6000 Studierenden an der TH OWL 42 Prozent Frauen seien. „Das ist vielleicht auf den ersten Blick keine befriedigende Zahl, aber wir sind eine technische Hochschule. Und dafür ist das schon ein guter Wert, auch wenn wir uns selbst als Ziel die 50-Prozent-Marke gesetzt haben. Im Bereich Technik und Verwaltung liege der Frauenanteil mit 58 Prozent bereits über dem der Männer, in der Wissenschaft allerdings seien die Frauen mit 33 Prozent noch unterrepräsentiert. Dies gelte insbesondere für die Leitungspositionen.

„Derzeit haben wir leider lediglich eine Dekanin“, so Krahl. Auch der Anteil der Professorinnen sei mit 24 Prozent ihm persönlich etwas wenig. Dennoch sah Krahl ein ermutigendes Szenario: „Immer mehr Frauen steigen in das wissenschaftliche Geschäft ein.“ Und der Hochschul-Präsident ginag auch auf ein konkretes, aktuelles Thema im Rahmen der Gleichberechtigung ein, den Gender-Pay Gap. An den Hochschulen sei der auch ein Stück weit systemimmanent, da Amtszulagen oft durch die Übernahme von Dekanatsämtern begründet seien, die vor allem von Männern ausgeübt werden. Dennoch läge das Gap knapp über 50 Euro und damit unter einem Prozent der Grundvergütung.

Die Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Lippe Nicole Krüger griff in ihrem Grußwort das Thema „Gehalt“ auf und berichtete unter dem Applaus der anwesenden Frauen, dass jetzt in Spanien ein Scheidungsgericht einer Frau 200.000 Euro Nachzahlung durch ihren Mann für die von ihr geleistete Hausarbeit für 25 Jahre zugesprochen habe. Die Summe habe sich am in Spanien geltenden Mindestlohn orientiert.

Diese Vorlage nahm Bestseller-Autorin Alexandra Zykonov während ihrer Lesung gleich mehrfach auf. Statt von Hausarbeit sprach sie von „Kehrarbeit“ und einer „90-Stunden-Woche“. Doch diese Kehrarbeit sei gesellschaftlich weiterhin nicht der Arbeit im Anstellungsverhältnis gleichgesetzt. Schon die Stundenrechnung zeige die ganze Problematik: „90 Stunden Kehrarbeit und 42 Stunden berufliche Arbeit, wie soll das als Familie funktionieren?“

Von hier war es dann nur noch ein kleiner rhetorischer Schritt bis zum Auseinandernehmen der vier für diesen Abenden vorgesehenen „Bullhitsätze“: „Wo sind denn Deine Kinder?“, „Frauen sind doch selber schuld, wenn sie sich gegenseitig die Augen auskratzen“, „Frauen wollen doch gar keine Karriere machen“ und „Frauen wollen doch diese Verantwortung zu Hause nicht abgeben“.

Der erste „Bullshit-Satz“ entlarve bereits die gesellschaftliche Denke: Männern werde diese Frage nie gestellt und bei Frauen zahle dieser Satz punktgenau auf die gesellschaftliche Vorstellung von der Rolle der Mutter ein: sie habe das Kind zu beschützen und die Familie zusammenzuhalten.

Zykonov schilderte dann eindrucksvoll, wie Fernseh- und Kinofilme und selbst moderne Werbung dieses Rollenklischee immer wieder bedienen. „Ich kann es einfach nicht mehr ertragen, dass wir 2023 auf Werbeplakaten für Erkältungsmitteln nur Mamas sehen. Was ist nur los mit uns“, fragt Zykonov während der Lesung sich und ihr Publikum.

Und schon Mädchen würden darauf sozialisiert: In Disney-Filmen, Kinderserien im Fernsehen, selbst in Kinder- und Jugendbüchern. „Frauen werden meistens abhängig von agierenden Männern gezeigt, und wenn sich Frauen unterhalten, geht es in der Regel nicht um Jobs, sondern um Familie oder zumindest Privates“, so Zykonov. Selbstständige Frauen dagegen seien meist in Kinderfilmen und -romanen die „Bösen“ und würden entsprechend als alt, hässlich und dick gezeichnet. Und oft genug kratzen sich Frauen in Filmen gegenseitig die Augen aus, und auch dabei geht es häufig um den eigenen Herrschaftsbereich oder einen Mann. Dabei sei es genau umgekehrt, wie es der zweite „Bullshit-Satz“ suggeriere: „Frauen müssen um alles kämpfen.“

Und das gelte auch und gerade im Beruf. Denn die beruflichen Hürden bauten sich am Ende in der Spiegelung des eigenen Rollenverhältnisses der Frau und dem gesellschaftlichen Rollenbild auf, dass die Frau eben eher bei der Kehrarbeit sehe. So ließe sich auch erklären, warum Frauen statistisch gesehen ein Drittel mehr Bewerbungen schreiben müssten als Männer, um einen Job zu bekommen.

Aber der Satz, dass Frauen gar keine Karriere machen wollten, sei inhaltlich schon deshalb falsch, weil hier Äpfel mit Birnen verglichen würden. „Eine Karriere für eine Frau ist etwas vollkommen anderes als eine Karriere für einen Mann.“, so die Journalistin. Ein Mann könne Karriere machen, wann er wolle, mit 20, mit 30 oder mit 40, einer Frau werde immer die Sorge für die Familie angedichtet: mit 20, dass sie Kinder bekommen könnte, mit 30 könnte sie das zweite Kind bekommen und mit 40 könnte sie sich um ihre Eltern kümmern müssen. Fragen, denen sich ein Mann gegenüber einem Arbeitgeber nie rechtfertigen müsse. „Frauen wollen keine Karriere machen, weil das System nicht will, dass Frauen diese Karriere machen“, schlussfolgert Zykonov. Hier müsse Veränderung ansetzen: „Väter werden diffamiert, wenn sie in Elternzeit gehen und Frauen bekommen keine Job-Sharing und Teilzeitstellen. Aber es sei ein Teufelskreis: „Wenn Frauen verhandeln, weil sie mehr arbeiten wollen, erreichen sie ihr Ziel nicht, weil sie sich verhalten wie ein Mann, und wenn Männer ihre Stunden reduzieren wollen, schaffen sie das nicht, weil sie sich wie eine Frau verhalten“, argumentierte Zykonov.

Zum Schluss setzte sich Zykonov dann beim Zerlegen des vierten „Bullshit-Satzes“ des Abends mit dem Phänomen des „Maternal Gatekeeping“ auseinander. Der Satz „Schatz, lass mal, ich mach das schon“, sei weit verbreitet in Partnerschaften. Auch das habe etwas mit dem tradierten Rollenverständnis aber eben auch mit der nicht vorhandenen Gleichwertigkeit von Kehrarbeit in der Gesellschaft zu tun. Den Männern, die sich durch Low- oder Underperfomance aus der Affäre ziehen wollen, riet sie, sich so wie im Job zu verhalten: Tiefer ins eigene Management einsteigen und überlegen, wie man der Haushaltsmanagerin besser unter die Arme greifen kann.

Der Lesung folgte eine weitere halbe Stunde, in denen Frauen aus dem Publikum ihre Erfahrungen schilderten, die absolut zu Zkonovs Buch passten. So ergaben sich Einblicke in eine weiter patriarchische Welt, die Frauen und Männer, die wirklich partnerschaftlich leben wollen, beruflich wie gesellschaftlich schwermacht

Der Abend schloss mit einer Signierstunde und zufriedenen Beteiligten. „Das war ein gelungener Abend“ resümierte auch die Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Lippe, Nicole Krüger.

Foto: TH OWL

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